FEBRUAR REVIEW: RASSISMUS

Zuerst fallen Worte, dann Schüsse. Der Februar ist nicht nur ein kalter Wintermonat, sondern lässt allgemein die Adern gefrieren. Schon der 22.02.1943 war ein Tag des Grauens, denn die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Studenten und Widerstandskämpfer gegen den berüchtigsten Rassisten der Geschichte, wurden zum Tode verurteilt und am gleichen Tag hingerichtet.

Sophies letzte Worte waren: „So ein herrlicher Tag und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende Menschen aufzurütteln und wachzurütteln.“

Wie bitter, dass bis heute Rassismus existiert, der durch die Migration und die Diskurse in der Politik auch noch angeheizt statt geschlichtet wird. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ist sie das wirklich angesichts des wachsenden Rechtsrucks in der Gesellschaft? Wer hat hier versagt?

Wir alle, denn Schuldzuweisungen bringen in diesem Dilemma wirklich nichts mehr. Die Welt wird einfach immer komplexer. Da sympathisieren inzwischen manche jüdischen Mitbürger mit der als antisemitisch bekannten AfD, weil sie durch die syrischen Flüchtlinge einen importierten muslimischen Judenhass befürchten.

Aber nicht nur dort wächst die Abwehr angesichts der neuen Flüchlingswelle, die Erdogan laut seiner letzten Erklärung in die EU einlassen will. Viele befürchten einen unkontrollierbaren Zustrom wie 2015.

Was hilft nun aber wirklich? Bildung und Bewusstwerdung! Wir müssen aufwachen und das Geschehen um uns herum wahrnehmen und einordnen, denn wir sind alle betroffen. Daher habe ich nun ein paar Orientierungshilfen. 

INSTITUTIONELLER RASSISMUS 

Am 19.02.2020 wurden zehn Personen in Hanau ermordet. Gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund liegen dem Terroranschlag zugrunde. Hilft es nun, die Tat der rechten Szene in die Schuhe zu schieben oder ist Rassismus einfach viel strukturierter im System verankert, als wir es wahrhaben wollen? Institutioneller Rassismus steht für Rassismen, die von Institutionen der Gesellschaft ausgehen. Zum Beispiel im Bildungssystem, im Arbeitsmarkt, beim Wahlrecht oder dem Wohnungsmarkt.

Fallbeispiel: Neulich hatte ich wieder einen Workshop zur digitalen Bildung mit Kindern und in der Klasse waren zwei Migrationskinder. Der Junge konnte zwar nicht lesen, aber ganz gut sprechen und war gewillt, sich mit Lust und Neugier einzubringen. Gerade die visuelle Darstellung bei Programmen hilft, hier Anschluss zu finden. Das Mädchen konnte weder Deutsch sprechen noch lesen und klinkte sich total aus. Egal, auf welchem persönlichen Bildungsstand sie sich befindet, sie blieb in dem Kurs total auf der Strecke. Ein Anschluss war nicht möglich und mich frustrierte meine Hilflosigkeit, sie nicht integrieren zu können. Die Chancengleichheit in der Bildung muss aber nicht immer an so einem Extrembeispiel gemessen werden. Auch wenn Menschen mit Migrationshintergrund schon in der 3. Generation in Deutschland leben, bestimmt oft allein diese Tatsache schon, welchen Bildungsweg das Kind gehen wird. Dabei spielt der Intellekt oder die Interessen vorerst keine Rolle. Die Kinder ordnen sich meistens schon selbst ein und schieben sich in Schubladen, die sich gesellschaftlich längst durchgesetzt haben. 

SOUVERÄNITÄT DER MEHRHEITSGESELLSCHAFT 

Als Mehrheitsgesellschaft wird der Teil der Gesellschaft bezeichnet, der wegen der Größe seines Anteils kulturelle Normen definieren kann. Sobald es um Rassismus geht, wird der Begriff fällig, daher ist es hilfreich, die Definition zu kennen. Gut 61 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund werden der Mehrheitsbevölkerung zugeordnet. 

Souveränität ist die Fähigkeit zur rechtlichen Selbstbestimmung.

Wenn wir die zwei Begriffe nun zusammenführen, wird deutlich, dass eine Mehrheitsgesellschaft aus Individuen besteht, die für ihre Einstellungen und für ihr Handeln Veranwortung übernehmen sollten. Man könnte humanistische Werte wie das gleiche Recht auf Freiheit und Leben anbringen oder religiöse Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Mitgefühl. Oder man könnte als mündiger und bewusster Bürger einfach unser Grundgesetz achten, das in Artikel 1 die Würde des Menschen für unantastbar erklärt und in Artikel 3,3 ausführt:

Niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. …

In unserem Grundgesetz sind die Menschenrechte als Grundrechte formuliert. Das ist unsere ethische Grundlage, nach der wir leben und wo könnte hier Platz für Rassismus sein? Nirgends!

DIE FURCHT VOR DEN ANDEREN 

Wären die Erinnerung an Hans und Sophie Scholl und der Terroranschlag in Hanau nicht schon genug für den Februar gewesen, soll nun auch noch das Corona-Virus für Ausgrenzung und Hetze sorgen. Die Zahl der Infektionen mit dem Corona-Virus nimmt weiter zu und es kommt zur psychischen Gewalt gegen Menschen mit asiatischem Hintergrund. Plötzlich tritt etwas Unangenehmes in unser aller Leben und wir brauchen wieder einen Buhmann. Das Virus kommt aus China? Na, dann ziehen wir jetzt eben alle asiatisch aussehenden Menschen in Deutschland zur Verantwortung, beschimpfen sie und grenzen sie aus.

Dumm nur, dass das Virus keine Rassenschranken kennt. Denn inzwischen ist es in vielen Bundesländern Deutschlands angekommen und zeigt uns, wie in gleichem Maße anfällig unser menschlicher Organismus reagiert. Ist es nicht an der Zeit, sich unserer Verletzlichkeit und Verbundenheit als Menschen dieser Welt bewusst zu werden?

WAS KANN ICH TUN? 

  • Hinterfrage deine Stellung zu den Themen 
  • Bilde dich in Sachen “Schlagwörter”, um hier den Kontext zu verstehen 
  • Sprich mit Menschen aus deiner Umgebung/ zeige Interesse und sei achtsam 
  • Schütze dich selbst vor Manipulation und schenke Menschen mit einer radikalen Einstellung wenig Gehör 
  • Sei sensibel und bewusst im Umgang mit deiner Rolle, die du auf der Erde einnimmst 
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6 Kommentare

  1. Lory
    03/03/2020 / 10:55

    Liebe Kim,
    was für ein wichtigen Beitrag! Du hast recht, Rassismus geht uns alle an und jeder von uns ist im Grunde moralisch verpflichtet, seinen Beitrag zu einem menschenwürdigen Miteinander zu leisten. Das Zitat Gandhis weist schon den Weg und dein Beitrag erhellt so manchen gesellschaftlichen Zusammenhang, sensibilisiert für das Thema und schafft Bewusstsein.
    Danke für diesen tollen Input!
    Lory

    • Kim
      Autor
      03/03/2020 / 11:28

      Liebe Lory,

      zuerst, vielen Dank, dass du dir die Zeit für diesen Beitrag genommen hast! Es ist ja doch ein ernstes und weniger schönes Thema. Und nun danke ich dir für deinen Zuspruch und die wundervollen Worte. Ich bin sehr dankbar für Leser wie dich !

      Liebst
      Kim

  2. Tamina
    03/03/2020 / 13:56

    Vielen Dank für deinen geistigen Input. Um es ebenfalls in Ghandis Worten auszudrücken “ Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg “ .
    Und der Frieden beginnt damit, dass wir aufhören müssen, den anderen von unserer Meinung überzeugen zu wollen. Aufhören, über dein Gegenüber zu urteilen, gar richten zu wollen. Das ist kein leichter Weg, da es so einfach ist, über andere zu reden, von sich selber abzulenken. Aber wenn wir lernen, den Frieden zu leben, diesen täglich bewusst weitergeben, dann erreichen wir das nähere Umfeld, das wachsen kann und sich ausbreitet. Und daher ist es wichtig, dass Personen wie du, ihre Plattform nutzen, um Menschen zum Nachdenken und zum Reagieren anregen.

    • Kim
      Autor
      05/03/2020 / 14:29

      Liebe Tamina,

      vielen Dank für deine Meinung und Worte zu diesem Thema. Das Zitat von Ghandi ist auch wundervoll und so wahr. Es ist so wahr, alle sind mit sich beschäftigt, aber doch nur am Austeilen gegenüber anderen – das kann keine Basis für ein Miteinander sein. Ich freue mich sehr, dass der Beitrag von dir so geschätzt und für hilfreich gehalten wird.

      Liebste Grüße
      Kim

  3. Jürgen
    05/03/2020 / 13:03

    Hallo Kim,

    das sind ja tolle Gedanken, die du hier darlegst. Mir gefällt, dass dir
    Rassismus auffällt, das dann zu deinem Thema machst und so auch zu unserem Thema machst.

    Erst kürzlich hatte ich eine Begegnung mit einem überzeugten Flüchtlingsgegner. Die Stimmung, die dabei verspürbar wurde, war eigentlich menschenfeindlich. Ich bin mir fast sicher, nicht der Moslem oder Jude wurde gehasst, es ist der Hass gegen sich selbst. Ein liebevoll eingestellter Mensch kann so nicht denken.

    Vielleicht ist das ein weiterer Ansatz, um dem aufkommendem Hass keine Nahrung mehr zu geben.

    Herzliche Grüße, mache weiter so. Ich freue mich schon auf deine nächsten Beiträge.

    Jürgen

    • Kim
      Autor
      05/03/2020 / 14:31

      Hallo Jürgen,

      vielen Dank für deine Gedanken, dein Zuspruch und dein Input. Deine Begegnung ist sehr bezeichnend und besser hätte man das Geschehen wohl nicht reflektieren können. Ich finde diesen Ansatz sehr hilfreich und hoffe es lesen noch ein paar mehr deinen schönen Kommentar zu einem so “unschönen” Thema.

      Liebst
      Kim

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