Ich sitze auf der Couch, eingewickelt in meine Bettdecke und schaue aus dem Fenster. Der Wind weht um das Haus und ich fühle mich aufgehoben und sicher, aber doch auch antriebslos und wenig inspiriert. Die grauen Wolken lassen kaum Licht in den Raum. Ich hole den Teebeutel aus meiner Tasse, auf dem Weg zum nebenstehenden Schälchen hinterlasse ich zwei Tropfen auf dem Tisch, ignoriere sie und nippe an dem heißen Wasser mit Ingwergeschmack. Ich versuche mein Immunsystem mit der Wurzel zu stärken und mir Gutes zu tun. Eigentlich versuche ich seit Anbeginn der Pandemie, mir Gutes zu tun. Doch übrig bleibt am Ende ein Blues, eine depressive Stimmung und der Griff zum Weinglas. Auch der schmeckt eingewickelt in die Decke, aber eigentlich besser in Gesellschaft. Der erste Schluck ist der beste, denn dieser steigt sofort zu Kopf und eine zufriedenstellende Gleichgültigkeit durchdringt mich. Meine Gedanken kreisen, denn ich möchte die Zeit sinnvoll nutzen, mich bilden oder entertainen lassen. Doch die Masse, mich zwischen Möglichkeiten wie TV, Buch, Hörbuch, Podcast, Musik, Dokumentation, Serie, Spielfilm zu entscheiden, gibt mir ein ohnmächtiges Gefühl. Wie soll ich bei dem Überangebot das finden, was mich wirklich abholt. Viel zu oft lasse ich mich einfach nur berieseln und dafür ist mir meine Zeit eigentlich zu schade. Die Qual der Wahl ist so erdrückend.
VERLUST VON ERKENNTNIS DURCH MEDIALES MASSENANGEBOT
Theodor W. Adorno stand den neuen Medien immer pessimistisch gegenüber und sprach Rundfunk, Film und Fernsehen absolut jeden Erkenntniswert ab. Eine objektive Einsicht bleibe uns aus. Stimmt doch, oder? Wir konsumieren, was andere für uns aufarbeiten und das eben an private oder öffentlich-rechtliche Sender geknüpft. Zunehmend privatisiert, da Podcasts und soziale Medien Raum geben und jedes Individuum zum Meinungsträger machen. In wenigen Sekunden hat wirklich jeder eine Ansicht zum Geschehen, teilt diese und ist von seiner subjektiven Auffassung überzeugt. Ich finde diesen Wandel so unglaublich anstrengend und wenig reflektiert. Eigentlich kann ich mich nur noch unterhalten lassen, auch Nachrichten scheinen zum Zeitvertreib zu werden oder der eigenen egoistisch getriebenen Positionierung zu dienen.
Die zentrale Rolle, die Adorno der Kulturindustrie zuschreibt, ist, dass „[d]er Gesamteffekt der Kulturindustrie […] der einer Anti-Aufklärung [ist]; in ihr wird […] Aufklärung, nämlich die fortschreitende technische Naturbeherrschung, zum Massenbetrug, zum Mittel der Fesselung des Bewußtseins.“ (Adorno 1963b, S. 345; Auslassungen und Umstellung: C.B.)
Es gibt kein Entkommen dessen, aber ich möchte mir dieser Bespielung meines Geistes einfach bewusst sein. Nur so kann ich vermeiden, mich von all dem fremdbestimmt leiten zu lassen. Dieses Bewusstsein heißt für mich, Freiheit und mir meines Geistes mächtig zu sein. Wenn ich all der Massenbespielung zum Opfer falle, würde das heißen, nicht mehr selbst zu denken und das kommt in meiner Vorstellung dem Tod sehr nahe.
WIE ICH MIR MEINES KONSUMS BEWUSST WERDE?
Die Modebranche unterliegt einem Wandel und das Angebot muss nachhaltiger gestaltet werden – warum? Weil wir uns der Fast Fashion Industrie bewusst geworden sind und nach Transparenz der Wertschöpfungskette verlangen. Warum tun wir das nicht beim Konsum der Massenmedien. Wir hinterfragen Sender, Kanäle oder Produzenten im Netz nicht – warum? Weil sich jeder zum Lifecoach und Meinungsmacher ernennt. Wir wollen uns leiten und tragen lassen, da wir dann nicht auf eigenen Beinen stehen müssen. Ich entziehe mich diesem Massenzirkus und recherchiere ganz genau, von wem ich welche Informationen zu einer tatsächlichen Nachricht werden lasse, die ich aufnehme.
WAS ICH HÖRE, SEHE UND LESE?
Es folgt eine kleine Auswahl, denn ich bin überzeugt davon, dass wir uns beschränken müssen beim Konsum.
WAS ICH HÖRE:
- Rhetorik, die im Kopf bleibt von Birgit Schürmann (Podcast auf Spotify)
- Sag niemals Nietzsche (Podcast auf Audible)
- ZEIT Bühne
- SPIEGEL Update – DIE NACHRICHTEN
WAS ICH SEHE:
- Explained (Netflix Serie)
- Dokumentationen
- Filme mit Tom Hanks
WAS ICH LESE:
- Das Café der Existenzialisten
- Bücher von Paulo Coelho
- SeelenGevögelt – Manifest für das Leben von Veit Lindau
- Kategorische Imperativ von Immanuel Kant