Ein Drittel der Eltern von 2-8 jährigen Kindern lesen gar nicht oder zu selten vor. In den digitalen Workshops arbeite ich mit unterschiedlichen Klassen verschiedener Schulen zusammen und treffe auf Kinder im Alter von 10 Jahren, die nicht lesen können. Chancengleichheit ist ein gutes Stichwort, aber bei dem unterschiedlichen Status Quo der Kinder nicht gegeben. Das Lesen ist die Grundlage unserer Gesellschaft und der Schlüssel zu Bildung und Teilhabe an dem Gesamten – auch in Zeiten der Digitalisierung.
„Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen,“ sagte Astrid Lindgren, die wohl bekannteste Kinderbuchautorin aller Zeiten. Am 06. November durfte ich bei der Verleihung des Deutschen Lesepreises dabei sein und verschiedene Organisationen und Einrichtungen kennenlernen, die sich für das Lesen stark machen und durch ganz unterschiedliche Ansätze den Kindern die Schrift als Medium kreativ näher bringen. Natürlich gab es unzählige Eindrücke, tolle Ideen und aktive Menschen, die alle erwähnt werden sollten. Aber in diesem Artikel stelle ich euch kurz ganz subjektiv meine Favoriten vor.
Moral Mens bekam zum Beispiel den ersten Preis in der Kategorie „Herausragendes individuelles Engagement“, da die 13-Jährige einen eigenen Lese-Blog hat. Unter lass-mallesen.blog schreibt die Schülerin Buchkritiken, spricht Empfehlungen aus und macht sich die digitale Plattform für ihre analogen Bücher zu Nutze. Diese übergreifende Nutzung begeistert ihre jungen Leser und die älteren Generationen gleichermaßen.
Die Moderatorin Nazan Eckes erhält den Sonderpreis für prominentes Engagement. Seit Jahren macht sie sich stark für unterschiedliche Aktionen und Projekte, liest selbst vor oder akquiriert Spendengelder für die Leseförderung. Eine beeindruckende Persönlichkeit mit Migrationshintergrund und Integrationserfahrung.
Den Bereich der Migration und Integration hat sich auch ax-o e.V. zur Aufgabe gemacht. Junge männliche Flüchtlinge werden zu Vorlesern!
Die Grundschule Bad Münder hat einen eigenen Podcast ins Leben gerufen. In dem Podcast Literafrosch – Frau Lindgrens Büchermagazin dürfen die Kinder Geschichten vorlesen, selbst verfassen und einsprechen. Eine spielerische Art selbst aktiv zu werden und medienkompetent die Zukunft zu gestalten.
Diese Veranstaltung hat mir die Wichtigkeit des Lesens und vor allem des Vorlesens ins Gedächtnis gerufen. Als privilegierter Mensch ist einem das Ausmaß der Ungerechtigkeit und vor allem Ungleichheit oft nicht präsent. Umso wichtiger finde ich es, die Augen zu öffnen, hinzusehen und aktiv zu werden.
Das habe ich dann auch in Angriff genommen und am bundesweiten Vorlesetag dem Fröbel Kindergarten aus Berlin, aus dem Buch „Sport ist herrlich“, vorgelesen. Die Stiftung Lesen hat am 15. November gemeinsam mit der Deutsche Bahn Stiftung und DIE ZEIT bundesweite Vorlesungen organisiert. Ich selbst habe im DB Tower neben der Schauspielerin Rebecca Immanuel, dem Schauspieler und Moderator Marc Dumitru, bekannt aus Nachtschwestern, dem U16-Trainer von Hertha BSC Sofian Chahed, sowie Andreas Gehlhaar und Bastian Grunberg von der Deutschen Bahn, ebenso vorlesen dürfen. Der Schauspieler Raphaël Vogt, welchen ich auch kurz kennenlernen durfte, hatte bereits am frühen Morgen in einer Kita vorgelesen.
Vor meiner Lesestunde mit dem Kindergarten hatte ich die Gelegenheit für ein kurzes Interview mit Marc Dumitru. Marc hat selbst als Kind überhaupt nicht gerne gelesen, verriet er mir. Genau da möchte er auch ansetzen, denn er weiß wie sich die Kids fühlen. Bei der Arbeit mit Kindern geht es oft darum, die Kinder da abzuholen, wo sie gerade stehen. Wie am Anfang genannt, wird nicht jedem Kind Zuhause vorgelesen, manche Kinder sind gerade immigriert und haben Schwierigkeiten mit der Sprache, andere interessieren sich mehr für das Nintendospielen oder den Fußballplatz und wieder andere lesen heimlich unter der Bettdecke ihr Buch bis spät in die Nacht. Trotzdem geht jedem Beruf das Lesen voraus. Gerade als Schauspieler muss Marc unglaublich viel lesen, seine Texte für den Dreh muss er auswendig lernen und die Abschnitte der Schauspielkollegen müssen ebenso überflogen werden, um die Emotionen richtig einzusetzen und den Zusammenhang zu verstehen. „Wir haben bei Nachtschwestern Drehbücher von 70-90 Seiten,“ so der Schauspieler im Interview. Marc hat am Bundesweiten Vorlesetag 25-30 Kindern im Alter von 12 Jahren vorgelesen und findet die Gemeinschaft, die dadurch entsteht so überzeugend, dass er mit Stolz Lesebotschafter der Stiftung Lesen ist.
Nachdem ich Marc neugierig meine Fragen gestellt hatte und er sich auf den Weg zum Dreh machen musste, durfte ich dann auch in den Vorleseraum. Hier war ein nachgeahmtes Lagerfeuer aufgebaut, mit Kissen drum herum. Ich erwartete die Kinder im Raum und setzte mich dann zu den Kleinen auf den Boden, statt auf den Vorlesestuhl, um so einen persönlicheren und vertrauteren Bezug zu ihnen aufzubauen. Aufmerksam haben die Kinder mir zugehört, wollten sich aber auch selbst einbringen. So haben wir fast jede Sportart, über die ich vorgelesen habe, auch selbst praktiziert. Alle Kinder wollten natürlich zeigen, was sie können und so wurde das Vorlesen zu einem interaktiven Austausch mit Bewegung und Begeisterung. Mir hat es großen Spaß gemacht und nachdem am Ende fast alle Kinder auf meinem Schoß saßen und meine Pirouette als sehr gelungen bewertet haben, hatte ich das Gefühl, dass wir gemeinsam eine wunderbare Zeit hatten.
TIPP: Falls ihr Zuhause auch aktiv werden wollt, ist die „Einfach Vorlesen“ App genau das Richtige für euch. Oft scheitert es im Alltag an der Zeit, der Auswahl eines Buches oder dieses nicht im richtigen Moment zur Hand zu haben. Außerdem wird hier gleich ein Bogen zur digitalen Bildung gespannt. Spielerisch und kompetent mit dem Smartphone oder Smartpad agieren und die Kinder da abholen, wo sie gerade stehen.
Mein Dank geht an Giulia Consiglio, die es mir möglich gemacht hat, an diesem Tag aktiv teilzunehmen.
// Bilder (c)Deutsche Bahn Stiftung_Oliver Lang & @Catischweyer
Wie süß mit dem Leseblog des Mädchens! Hätte ich heutzutage bestimmt auch als Kind, ich hab da sooo viel gelesen. Eine schöne Aktion und toll dass du davon berichtest!