Fast nichts mehr ist in Kabul selbstverständlich. Afghanistan ist nicht gerade bekannt für ein freies Leben. Meinungsfreiheit ist keine Option und wird vom Taliban mit Mord(-drohungen) unterdrückt.
Journalist*in, Designer*in, Model, Yogalehrer*in sind in Deutschland anerkannte Berufe, die auch mich in meinem Alltag begleiten. Männer und vor allem Frauen in Afghanistan dagegen bringen sich damit in ernste Gefahr. Und das ist kein Geschehen von damals, sondern die unmittelbare Realität.
In Russland wurde Alexei Anatoljewitsch Nawalny, ein russischer Rechtsanwalt, oppositioneller Dissident, demokratischer Politiker und Dokumentarfilmer verhaftet. Seine Aufklärung richtet sich gegen Putin und dessen Regime, welches auch weitere Menschenrechtler bei Protesten gegen die Verhaftung Nawalnys festnimmt und vor allem Journalisten genau im Auge behält.
Das Szenario stellt sich so dar, dass die Regierung Nawalny nachweislich vergiftete und hoffte, dass dieser auf seinem langen Flug starb. Durch eine Verkettung glücklicher Umstände landete er jedoch in der Charité und wurde dort wieder gesund gepflegt. Für Nawalny war es keine Option, als Oppositioneller im Exil zu bleiben, sondern er wollte in seiner Heimat, in der Unrecht geschieht, mit seiner Meinung wirken. Die Konsequenz in Russland hinter Gittern zu landen, war abzusehen. Die offizielle Begründung mit den Verstößen gegen die Bewährungsauflagen ist so lächerlich, wie die Vergiftung verbrecherisch war.
Während Menschen in anderen Ländern für ihre Meinung kämpfen und auch büßen müssen, werden im WDR, einem deutschen öffentlich rechtlichen Sender, fünf Weiße eingeladen, die ihre individuelle und undifferenzierte Meinung dafür nutzen, sich rassistisch zu äußern, vermutlich noch, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wir haben mit unserer Meinungsfreiheit ein hohes demokratisches Gut zur Verfügung, welches wir sinnvoll und verantwortungsbewusst nutzen müssen.
Die besagte Redaktion des WDR, die einen sechsprozentigen Anteil an Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund hat, könnte rückständiger nicht sein. Die Auswirkungen sind spürbar, vor allem für Betroffene.
Bei all dem, was auf der Welt passiert, wo Menschen für ihre Grundrechte kämpfen und manchmal auch sterben müssen, macht es mich wütend, dass in Deutschland so mit demokratischen Privilegien gespielt wird. Eine Meinung haben zu können und diese äußern zu dürfen, sollte wie eine kostbare Porzellanschale behandelt werden. Hier trägt jedes Individuum eine Eigenverantwortung.
Dass im Netz oder Fernsehen jede*r unreflektiert zum Meinungsträger werden kann, ist eine große Gefahr. Man kann und darf in einer Demokratie jedoch nicht verhindern, dass jede*r seine Meinung sagt. Daher liegt die Verantwortung nicht nur beim Produzenten, sprich Sprechenden oder Schreibenden, sondern auch beim Rezipienten, sprich beim Hörenden oder Lesenden. In unserem Land steht uns nicht die Regierung im Weg, sondern wir uns selbst.
*Illustration: Zoe @taketechno
Sehr gut zusammengefasst. Der Text trifft es auf den Punkt. Was ich auch unfassbar schwierig finde ist, wie anfeindende, verachtende und verletzende Kommentare, vor allem in den sozialen Medien, immer gleich als „Meinungsfreiheit“ entschuldigt wird. Danke, dass du mit dem Text den Leser hoffentlich auch damit konfrontierst auch mal darüber nachzudenken.
Autor
Liebe Valentina, danke für dein Feedback. Der Austausch mit dir ist mir immer eine Freude, da du auch so unglaublich reflektiert bist und das Geschehen so gut einordnest. Ich finde das sehr wertvoll. P.S.: Cyber-Mobbing als Thema für einen Artikel ist eine tolle Erweiterung/ Idee. Danke für die Inspiration. xx Kim
Liebe Kim,
Ja, es ist so eine Ungleichheit auf der Welt, nicht nur, was Meinungsfreiheit angeht. Aber darum geht es in deinem Blog. Toll, wie du sensibilisierst für das Thema und wie differenziert du es betrachtest.
Gruselig, was in autokratisch geführten Ländern mit Menschen passiert, die eine ungeliebte Meiniung äußern. Wieder einmal bin ich dankbar, in welch selbstverständlicher Meinungsfreiheit ich lebe, seit ich denken kann.
Natürlich gibt es in unserer freiheitlichen Demokratie manche Meinungsäußerungen, bei der sich mir die Nackenhaare sträuben. Bin ich trotzdem dafür, dass es diese Meinungen geben darf? Ja! Aber ich muss damit nicht übereinstimmen. Ich kann dem etwas entgegensetzen. Und dass ist meine ureigene Verantwortung, in der ich wirken kann.